Dienstag, 17.08.2021, 07:59
Verzweiflung und Todesangst greifen um sich, als die Taliban am Freitag die afghanische Hauptstadt umstellen und wenige Tage später das Kommando über das Land ergreifen. Viele Afghanen bangen um ihr Leben; zu Hunderten wollen sie zum Flughafen, um vor den Taliban zu flüchten. Aber viele Straßen zum Flughafen sind mittlerweile gesperrt. 20 Jahre nach Beginn des Engagements des Westens kommt es zu chaotischen Szenen.
Bei der Bundesregierung herrscht Ratlosigkeit Während die Taliban in Afghanistan wieder die Macht übernehmen, herrscht bei der Bundesregierung vor allem Ratlosigkeit. Weder die afghanische Armee noch die mächtigen Warlords haben das Land verteidigt, berichtet das Auswärtige Amt.
"Dieses Szenario hat niemand vorhergesehen", erklärt ein Mitarbeiter des Auswärtigen Amts gegenüber "Business Insider". Ob diese Aussage korrekt ist, wird sich aber erst noch beweisen müssen.
Während Kabul zurückerobert wird, sind Teile der Bundesregierung offenbar mit anderen Aufgaben beschäftigt. So hält sich Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer zum Flammkuchenbacken im Saarland auf, derweil sich Ursula von der Leyen um ihre Pferde kümmert.
Die Präsidentin der Europäischen Kommission postet am Samstag mehrere Fotos auf Instagram, auf denen sie zusammen mit Pferden zu sehen ist. "Ich wünsche allen einen Moment zum Durchatmen und Aufladen", schreibt von der Leyen.
Aber nicht nur Kramp-Karrenbauer und von der Leyern sind während Kabuls Fall mit Wahlkampftour und Pferden anderweitig beschäftigt: Auch die wichtigsten Militärberater der Bundeswehr befinden sich im Urlaub.
Wie "Business-Insider" berichtet, kehren Generalinspekteur Eberhard Zorn und sein Büroleiter erst dieser Woche aus ihren Ferien zurück. Anstatt dass das Auswärtige Amt und das Verteidigungsministerium ein Lagezentrum bilden, passiert seit Freitag nichts.
Auch deshalb wirkt die Rückholaktion der verblieben Deutschen aus Kabul überstürzt und unkoordiniert. Knapp 80 Deutsche wurden in der Nacht zum Montag mit Unterstützung der US-Amerikaner nach Doha ausgeflogen.
Chaotisch scheint auch das Handeln der weiteren politischen Akteure zu sein. So fordert CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet eine Luftbrücke. Bei seinen Aussagen ging Laschet aber nicht darauf ein, wie viele Personen bei dieser Aktion gerettet werden sollen.
Das Kabinett will am Mittwoch ein Mandat für den Hilfseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan beschließen. Wahrscheinlich viel zu spät, denn die US-Amerikaner haben bereits erklärt, dass sie den Flughafen in Kabul nur noch 72 Stunden offen halten.
Der Ausbau der Luftbrücke, die Laschet am Montag ins Spiel brachte, wäre somit gar nicht mehr möglich. Aus diesem Grund könnte Afghanistan durchaus noch zu einem heißen Wahlkampf-Thema werden.
Quelle: focus.de vom 17.08.2021